Paris Paris - ein Licht geht auf
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- Kategorie: ARBEIT & SOZIALES
- Veröffentlicht: Mittwoch, 14. Dezember 2022 15:02
Unsere Medien schweigen still, nur selten verirrt sich eine kleine Meldung über das was in Paris passiert in dem heimischen Blätterwald oder in die Fernsehlandschaft. Es nicht sein kann, was nicht sein darf. Diamethode nennt man das- einfach andere Bilder und Informationen darüber schieben.
Alexander Pohl ist nach Paris geeilt, um an der Quelle nachzufragen, was tatsächlich los ist. Wir dürfen seinen Bericht hier veröffentlichen.
Loi El Khomri. So heißt das sehr unbeliebte Gesetz, das die Arbeitsrechte massiv einschränken wird. Es wird in Deutschland mit der Agenda 2010 von SPD-Kanzler Gerhard Schröder verglichen. Das ist auch ähnlich, denn die bisher unantastbare 35-Stunden-Woche soll durch eine deutlich längere Arbeitswoche ersetzt werden können, die Überstunden sollen schlechter bezahlt werden und der Kündigungsschutz soll stark gelockert werden. Dadurch würde der Neid unter den Arbeitern gefördert werden. „Die hat den Job behalten und ich treuer Mitarbeiter werde gefeuert. Die hat doch sicherlich mit dem Chef geschlafen“ so oder so ähnlich könnte es aussehen. Auch der Hass gegen Ausländer oder Flüchtlinge kann durch Sozialabbau, wie es in Frankreich durch die Loi El Khomri passiert, geschürt werden. Wenn einer, der sowieso nichts hat, sieht, dass Migranten oder Flüchtlinge ins Land kommen, wird die Existenzangst geweckt und das kann von rechten Populisten bei ihrer Hetze ausgenutzt werden. Man kann dies auch in Deutschland beobachten. Außerdem gibt es in Frankreich ein anderes Gesetz, welches man verabschieden will: die Loi Macron. Auf Demos wurde der Spruch „la loi Macron – c’est bien pour le patron!“ skandiert. Das heißt so viel wie „Das Macron-Gesetz ist gut für den Chef!“
In Paris läuft mitten in der Stadt die Armee rum. Das sind zwar nicht so viele, aber das ist für einen, der von außen kommt, doch sehr merkwürdig und kann an einen Polizeistaat erinnern. Bei den Ubahnausgängen an großen Plätzen stehen massiv Polizisten, die auch die Taschen durchsuchen. Der Ausnahmezustand in Frankreich gilt immer noch, obwohl die Terroranschläge schon am 13. November waren. Vor (großen) Demos wird der Rucksack von oben bis unten von der Polizei kontrolliert.
Das sind Zustände, die die Bürger Paris nicht mitmachen wollen. Deshalb hat sich in Paris eine neue Protestbewegung, die sich mittlerweile weltweit sehr breit verbreitet hat, entstanden. Sie setzen sich für eine echte Demokratie, gegen Sozialabbau und für viele andere soziale, umweltpolitische, friedenspolitische und wirtschaftliche Veränderungen ein. Dazu gibt es noch häufiger Demonstrationen für oder gegen sehr viele Themen. Diese Demos richten sich v. a. gegen die Reformen, die die Regierung Hollande plant. Was von den Demonstranten kritisiert wird, ist, dass der Präsident ein Dekret verabschieden kann und so am Parlament vorbei ein Gesetz beschließen kann. Das wird als antidemokratisch bezeichnet. Man fordert deshalb eine neue Republik – die mittlerweile sechste Republik. Die aktuelle fünfte Republik Frankreichs hält besondere Rechte für den Präsidenten, die auch der türkische Staatschef Recep Tayip Erdogan für sich beanspruchen will. Als Manuel Valls, Frankreichs Premierminister, verkündete, die Reformen am Parlament vorbei nach 49.3 zu beschließen, war die Bevölkerung entsetzt. 49.3 ist der Verfassungsparagraph, der Dekrete erlaubt. Ca. 80% der Franzosen sprechen sich gegen die Reformen.
Bei den Demonstranten der Sozialbewegung gibt es auch kritische Töne gegen die Polizisten. So wurde die Polizei von einigen als „rechtsradikal und xenophob“ eingestuft. Als Beleg wurde verschiedenste persönliche Erlebnisse geschildert. Auch als „gewaltbereit“ wurden viele Polizisten bezeichnet. Die Polizei hingegen wehrt sich gegen diesen negativen Ruf und organisiert aus diesem Grund jedes Jahr eine Demonstration „gegen den Anti-Bullen-Hass“. 2016 fand diese Demo am 18. Mai auf dem Place de la République statt. Das empfanden linke Gruppen und viele von der Nuit Debout als pure Provokation.
Dort wo sich die Sozial- und Demokratiebewegung jeden Abend trifft, organisierte die Polizeigewerkschaft eine Kundgebung, zu der auch sehr viele Polizisten in Zivil gekommen waren. Es sind ca. 2000 gekommen, um gegen Gewalt gegen ihre Arbeitskollegen zu protestieren. Es wurde mehr Autorität gefordert und darauf bestanden, dass es nur sehr wenige schwarze Schafe sind. Der Platz wurde weiträumig abgesperrt. Anfangs wurde nur die Fläche um das Absperrgitter geschützt. Dann aber kamen noch mehr Polizeiwagen. Die Ubahnausgänge wurden kontrolliert und auch Journalisten gefilzt. Nachdem sich erster Gegenprotest sammelte, wurde dieser mehr und mehr von Gendarmerie abgedrängt. Als ich wieder zur Polizistendemo wollte, wurde ich trotz Presseausweis nicht hineingelassen. Kurz darauf versuchte ich es an anderer Stelle wieder und wurde direkt hineingelassen.
Die Polizei feierte sich in ihrer Demo und behauptete, es gebe „nur wenige schwarze Schafe“. Es wurden massiv Rauchfackeln angezündet. In Deutschland ist das verboten. Am Anfang und am Ende der Kundgebung wurde ein dramatisch aufgezogenes Video gezeigt, welches die Polizei heroisierte. Ein glatzköpfiger Mann stimmte vor Beginn der Kundgebung die Masse ein, während ältere Poplieder im Hintergrund liefen. Am Ende der Reden hat man gemeinsam die Marseillaise, die Nationalhymne Frankreichs, gesungen.
Zwischendurch hat ein Polizist das Andenken an die Opfer der Terroranschläge, die in Paris und Brüssel geschahen, geschändet. Er klebte Sticker der Polizeigewerkschaft an die Stellen, wo an die Opfer gedacht wurde und hinterließ seinen Müll auf dem Boden.
Der Gegenprotest hingegen war eigentlich bunt und friedlich. Es wurde aber auch einige hundert Meter von den Gegenprotesten ein Polizeiauto angezündet, was ich aber nicht mitbekam.
Als Protest, um auf die Polizeigewalt aufmerksam zu machen und zum Frieden zu appelieren, sang ein Mann „Knockin‘ on Heaven’s Door“ von Bob Dylan.